175 Jahre Bavaria – Münchens bronzene Wächterin

175 Jahre Bavaria – Münchens bronzene Wächterin zwischen Kunst, Technik und Geschichte

Am 9. Oktober 1850 wurde sie enthüllt – die Bavaria. Seit 175 Jahren steht sie über der Münchner Theresienwiese, mächtig, unbewegt und voller Symbolik.

König Ludwig I. und die Idee eines nationalen Symbols

Die Bavaria war die Vision von König Ludwig I., der Bayern im 19. Jahrhundert zu einem kulturellen Zentrum machen wollte. Er sah in der Kunst ein Mittel, nationale Einheit und Stolz zu schaffen. Schon 1834 notierte er: „Wie die Griechen ihre Götter in Stein erhoben, so soll Bayern seine Tugenden in Erz bewahren.“ Ludwig I., Konzeptnotiz (Bayerisches Hauptstaatsarchiv)

Mit der Umsetzung beauftragte er den Münchner Bildhauer Ludwig Schwanthaler, der eine menschliche Verkörperung Bayerns schuf. Keine Göttin sollte sie sein, sondern eine Frauengestalt „aus dem Volk“. So schrieb Schwanthaler 1840 an den Maler Peter von Cornelius: „Meine Bavaria soll nicht herrschen, sondern schützen – mit dem ernsten Blick einer Hüterin.“

Entstehung eines technischen Wunders

Der Guss der Statue wurde in der Königlichen Erzgießerei München unter Ferdinand von Miller durchgeführt. Zwischen 1844 und 1850 entstanden zwölf riesige Bronzeteile, gegossen nach dem Wachsausschmelzverfahren – eine technische Sensation jener Zeit. Mit 18,52 Metern Höhe und rund 87 Tonnen Gewicht war die Bavaria bei ihrer Enthüllung die größte freistehende Bronzefigur der Welt.

Im Inneren führt eine schmale eiserne Treppe bis in den Kopf. Durch vier kleine Öffnungen blickt man über München – ein Aussichtspunkt, der schon im 19. Jahrhundert als „Erlebnis von seltener Erhabenheit“ beschrieben wurde (Bayerische Zeitung, 1851).

Die Symbolik der Bavaria

Die Bavaria zeigt keine Idealfigur antiker Götter, sondern eine realistische, kräftige Frauengestalt. Jedes Detail der Figur hat seine Bedeutung:

Der Löwe steht für Mut und Wehrhaftigkeit.

Der Eichenkranz in der erhobenen Hand symbolisiert Ruhm und Unvergänglichkeit.

Das Schwert an ihrer Seite verweist auf Selbstbehauptung – in Frieden, nicht im Angriff.

Die Ruhmeshalle – Tempel des bayerischen Geistes

Hinter der Statue erhebt sich die Ruhmeshalle, entworfen von Leo von Klenze im klassizistischen Stil. Das halbkreisförmige Säulenbauwerk wurde zwischen 1843 und 1853 errichtet. Hier sollten „verdiente Bayern“ in Form von Büsten geehrt werden – von Künstlern und Wissenschaftlern bis zu Feldherren. Ausgewählt wurden in erster Linie Männer. Erst in jüngerer Zeit beschloss man, auch Frauen in die Ruhmeshalle aufzunehmen, wenn auch bisher nur vier, darunter die Schriftstellerin Lena Christ oder die Wissenschaftlerin Therese von Bayern. Von ihr erzählen wir euch auf unserer Stadtführung „Münchner Frauen“.

Wandel der Bedeutung

Was einst als königliches Denkmal gedacht war, wurde im Laufe der Zeit zu einem Symbol für das ganze Land. Nach dem Ende der Monarchie blieb die Bavaria bestehen – als Identifikationsfigur für Bayern, unabhängig von Herrschaft und Politik. In den 1970er-Jahren wurde die Statue umfassend restauriert. Heute steht sie unter Denkmalschutz. Sie ist begehbar und zugänglich für Gäste aus aller Welt. Sie ist eng mit dem Oktoberfest verbunden, das sich seit 1810 direkt zu ihren Füßen abspielt. Während unten gefeiert wird, wacht die Bavaria darüber – still, aber auf jeden Fall: präsent.

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